02.08.19

BLOG: Tempodribblings als offensives Stilmittel

Artikel von Peter McKeever

Schlüsselerkenntnisse

– Zwischen 2013 und 2018 führten in der englischen Premier League 7 Prozent aller Sequenzen mit einem raumgreifenden Tempodribbling zu einem Torabschluss.

– Eden Hazard führte in den vergangenen fünf Spielzeiten der Premier League die Rangliste dieser Tempodribblings pro 90 Minuten jeweils an.

– Mo Salah nahm in der vergangenen Premier-League-Saison beim kombinierten xG-Output im Anschluss an ein raumgreifendes Tempodribbling den ersten Rang ein.


Wer sich für Fußball-Analysen interessiert, kennt bereits viele unserer ballbezogenen statistischen Ereignisse. Jedoch wird ein Aspekt des Spiels häufig übersehen. Für uns Grund genug, uns in diesem Blogbeitrag näher damit zu beschäftigen.

Tempodribblings haben einen erheblichen Wert für die Offensive eines Teams. Die Erfassung dieser Kennzahl ist im Rahmen des Sequence Data Framework von OptaPro bereits als Nebenprodukt enthalten.

Im vorliegenden Artikel wird ein Tempodribbling (bisweilen auch „Carry“ genannt) als jedwede Bewegung des Balls durch einen Spieler definiert, wobei zwischen dem Punkt auf dem Spielfeld, an dem der jeweilige Spieler den Ball angenommen hat, bis zu dem Punkt, an dem die Aktion beendet wird, mindestens fünf Meter liegen müssen. Weitere Informationen zu dem Konzept enthält dieser Artikel von Tom Worville aus dem Jahr 2016.

In dem vorliegenden Blogbeitrag analysieren wir Tempodribblings in der gegnerischen Hälfte mit mehr als fünf Metern Raumgewinn, d. h. bei denen der Ball mindestens fünf Meter näher in Richtung gegnerisches Tor geführt wird. Der Einfachheit halber nennen wir diese Aktionen „raumgreifendes Tempodribbling“.

Die obenstehende Abbildung zeigt eine Angriffssequenz aus einem Spiel zwischen Brighton und Liverpool im Dezember 2017. Das raumgreifendes Tempodribbling wird dabei durch die gepunktete Linie dargestellt. Sie verläuft von der Nähe der Mittellinie bis in einen Bereich außerhalb des gegnerischen Strafraums. Diese Sequenz von Mo Salah dient uns in diesem Blogbeitrag als Referenz für ein raumgreifendes Tempodribbling.

Welchen Wert hat ein raumgreifendes Tempodribbling?

Wenn wir die Premier League zwischen 2013 und 2018 betrachten, stellen wir fest, dass 7 Prozent aller Sequenzen mit raumgreifenden Tempodribblings zu einem Abschluss führten. Das ist ein signifikanter Anstieg gegenüber den 2 Prozent der Sequenzen, denen keine derartige Aktion vorausging.

Daraus ergibt sich folgende Frage: Sind einige Spieler besser in der Lage, den Ball in die gegnerische Hälfte zu verlagern? Und wenn ja, wie lassen sich diese „Tempodribbler“ identifizieren? Wenn wir analysieren, wo raumgreifende Tempodribblings erfolgreich verlaufen (d. h. der Spieler in Ballbesitz bleibt), dann stellen wir fest, dass diese Aktionen auf den Außenbahnen erwartungsgemäß am häufigsten vorkommen.

Demnach könnte man annehmen, dass Außenbahnspieler in entsprechenden Rankings stark vertreten sind. Darauf gehen wir gleich näher ein. Zunächst wollen wir uns jedoch anschauen, welche Spieler die höchste Effektivität bei diesen raumüberbrückenden Tempodribblings in zentralen Positionen aufweisen.

Anhand der oben dargestellten Zonen können wir ermitteln, wie oft ein Spieler ein raumgreifendes Tempodribbling in den einzelnen Zonen durchgeführt hat. Hat ein Spieler mindestens 40 Prozent seiner Tempodribblings mit mehr als 5 Metern Raumgewinn in den oben dargestellten zentralen Bereichen absolviert, wurde er in unserer Analyse berücksichtigt. Dadurch erhalten wir eine Shortlist, die von Neymar und Messi angeführt wird, und die uns als guter Anhaltspunkt dient.

Aus der obenstehenden Grafik geht hervor, dass Stürmer und Mittelfeldspieler die höchste Anzahl an raumgreifenden Tempodribblings aufweisen. Dies lässt sich natürlich mit den strikten Parametern erklären, die wir für die Definition dieser Tempodribblings in diesem Artikel herangezogen haben. Jedoch sind in dem Schema auch einige Verteidiger vertreten.

Tempodribbling aus der Abwehr heraus

Man sieht in der Praxis immer häufiger, wie Mannschaften ihr Spiel aus der Abwehr heraus aufbauen. Im nachstehenden Punktediagramm sind Verteidiger dargestellt, die raumgreifende Tempodribblings in der eigenen Spielhälfte beginnen und dann mit dem Ball in die gegnerische Hälfte vordringen.

Wir sehen, dass zwei Innenverteidiger von Manchester City besonders hervorstechen. Führt man sich ihre Rolle bei Ballbesitz des amtierenden englischen Meisters vor Augen, ist das keine Überraschung.

Das Gesamtbild

Nachdem wir uns mit Tempodribblings in zentralen Positionen und aus der eigenen Abwehr heraus beschäftigt haben, wollen wir uns im Folgenden an ein Gesamtbild heranwagen. Wer sind die Top-Spieler, die durch das schnelle führen des Balles viel Raumgewinn auf dem Spielfeld erzielen?

Bei näherer Betrachtung der Saison 2018/19 stellen wir fest, dass Eden Hazard der mit Abstand herausragendste Tempodribbler in der Premier League ist. Durchschnittlich weist er gut 22 raumgreifende Tempodribblings pro 90 Minuten auf und gewinnt bei jeder dieser Aktionen im Schnitt rund 13 Meter an Höhe auf dem Spielfeld.

Dass sich Eden Hazard exzellent mit dem Ball bewegen kann, ist weithin bekannt. Schon 2013 lag er in der Statistik für lange Tempodribblings pro Spiel auf Rang drei. In den letzten fünf Spielzeiten seit 2014 führt er die Rangliste mit durchschnittlich 20,95, 19,06, 18,01, 20,35 bzw. 22,31 raumgreifenden Dribblings pro Spiel jeweils an.

Im nachstehenden GIF erhalten wir einen Eindruck von Hazards Tempodribblings seit 2013. Die blauen Punkte und Linien weisen auf entscheidende Pässe und Torvorlagen hin, während die grünen Punkte und Linien für Schüsse und Tore stehen. Die grauen Punkte deuten auf andere Ereignisse im Anschluss an ein Tempodribbling hin.

Angriffsbeteiligungen in der Premier League

Wenn wir einen Schritt weiter gehen, können wir Spieler nach ihren Angriffsbeteiligungen für Spielaktionen im Anschluss an eine progressive Ballführung einordnen.

In der nachfolgenden Tabelle sind die Offensivleistungen der 20 führenden Spieler aus der Premier-League-Saison 2018/19 dargestellt. Die Werte für die Parameter „Expected Goals“ (xG) und „Expected Assists“ (xA) beziehen sich auf Schüsse und entscheidende Pässe direkt im Anschluss an eine raumgreifendes Tempodribbling.

Eden Hazard schneidet hier erneut gut ab: Er weist den zweithöchsten Wert bei xG und den höchsten Wert bei xA für Aktionen im Anschluss an eine progressive Ballführung auf. Jedoch muss er den Platz an der Spitze Mo Salah überlassen, der einen xG-Wert von knapp unter fünf erreicht.

Aus der Spielfeldgrafik von Mo Salah geht hervor, dass er die meisten seiner entschlossenen Vorstöße mit Ball am Fuß auf der rechten Seite startet.

Wie gefährlich der Ägypter auf dem rechten Flügel ist, verdeutlicht folgende Tatsache: In der Mehrzahl der Fälle, in denen es Salah gelang, den Ball bis in den Strafraum zu führen, kam er auch zum Abschluss. Aus der kleineren Grafik im unteren rechten Bereich wird ersichtlich, dass sich seine Schussversuche verstärkt auf den rechten Strafraumbereich konzentrieren.

Wer löst Hazard ab?

Nach dem Wechsel von Eden Hazard zu Real Madrid versprechen die Ranglisten der neuen Premier-League-Saison einiges an Spannung. Womöglich sind Spieler vom FC Chelsea wieder prominent darin vertreten. Vielleicht ahnte der Klub den Abgang von Hazard bereits voraus, als er sich im Januar die Dienste von Christian Pulisic sicherte und den US-Amerikaner umgehend zurück an Borussia Dortmund verlieh.

Auch wenn Pulisic in der abgelaufenen Saison nicht unbedingt im Rampenlicht stand, gibt eine Analyse der Spielzeit 2017/18 tiefere Einblicke in seine Fähigkeiten als Tempodribbler. In jener Saison rangierte er mit Blick auf die Angriffsbeteiligungen im Anschluss an raumgreifende Tempodribblings auf Platz 6 der fünf führenden europäischen Ligen, und damit direkt hinter Eden Hazard.

Obwohl Pulisic eher auf der rechten Seite beheimatet ist, gilt er – wie Hazard – als Spielertyp, der lange Läufe auf der Außenbahn starten und dann in den Strafraum eindringen kann. Mit der Verpflichtung des 20-jährigen US-Amerikaners könnte Chelsea einen Spieler in seinen Reihen wissen, der in der Lage ist, diesen Aspekt von Hazards Spielweise zu replizieren.

 

Zurück zur Analyse