Zentrale Erkenntnisse
– Eintracht ist auf Platz 2 der am direktesten spielenden Team der Bundesliga.
– Querpässe sind eine bedeutende Komponente des Offensivspiels im Angriffsdrittel.
-Der xG/Schuss-Wert von 0,14 für die gesamte Mannschaft ist der beste in der Bundesliga. Das weißt darauf hin, dass die Offensivspieler sehr genau wissen, wann sie schießen und wann sie passen müssen.
Nachdem Eintracht Frankfurt 2018 mit dem DFB-Pokal seinen ersten bedeutenden Titel seit 30 Jahren gewinnen konnte, hat die Mannschaft den Aufwärtstrend in der Spielzeit 2018/19 trotz eines unfreiwilligen Trainerwechsels im vergangenen Sommer fortsetzen können.
Nach Niko Kovacs Wechsel zu Bayern München hat Adi Hütter eine Bundesligasaison betreut, in der die Eintracht drei Spiele vor dem Ende auf einem Champions-League-Platz steht. Auf dem Weg ins Halbfinale der Europa League hat Frankfurt Gegner wie Internazionale und Benfica bezwungen.
Der Klub hat in relativ kurzer Zeit eine beachtliche Entwicklung durchlaufen – erst 2016 konnte nur knapp die Relegation zur 2. Liga vermieden werden. Hütter hat nicht nur Kovacs Arbeit fortgesetzt, sondern der Mannschaft auch einen anderen Spielstil verordnet, der beeindruckende Resultate zeigt. In dieser Spielzeit werden insgesamt weniger Pässe gespielt, und zwar deutlich weniger in der eigenen Hälfte, dafür aber mehr im Angriffsdrittel.
Eintracht verfügt über einen kleinen, aber gut eingespielten Kader mit 16 Spielern, die im bisherigen Saisonverlauf auf mindestens 10 Bundesligaeinsätze kommen. 11 von ihnen haben in 25 Begegnungen gespielt. Des weiteren waren Filip Kostic und Danny da Costa bei jedem Ligaspiel gesetzt.
In diesem Blogbeitrag werden wir betrachten, welchen Ansatz die Eintracht beim Ballbesitz verfolgt und warum dieser erfolgreich ist.
Direktes Spiel
Eintracht Frankfurt bevorzugt tendenziell ein 3-4-1-2-System. Zu Beginn der Saison spielte man noch mit einer Viererkette und einer einzigen Spitze. Nach drei Niederlagen in den ersten fünf Spielen stellte man jedoch auf eine Dreierkette um. Seit dieser taktischen Umstellung verloren sie nur noch vier Bundesligaspiele.
In dieser Saison rangiert Frankfurt unter den letzten vier Mannschaften der Bundesliga bei den erfolgreichen Pässen und der prozentualen Passquote, der Ballbesitzanteil liegt unterhalb des Ligadurchschnitts.
Im Spiel versucht die Eintracht meist, den Ball schnell von den Defensivlinien und vom Mittelfeld zu den Stürmern zu spielen, und zwar mit dem ersten Pass, oder dem zweiten, wenn der Angespielte eine bessere Position hat, um Luka Jovic oder Sébastien Haller zu bedienen.
Die Zahlen aus der Sequenzbetrachtung untermauern diesen Eindruck. Pro Sequenz gewinnen sie im Durchschnitt 2,02 Meter und werden dabei nur von RB Leipzig übertroffen. Bei den Sequenzen mit maximal 2 Pässen sind sie in der Bundesliga führend, was darauf hinweist, dass es ihnen nicht um eine Vorwärtsbewegung mit Ballbesitz geht. 41,6 % der gesamten Pässe gehen nach vorne und es werden pro Spiel 38,6 lange Pässe aus dem Defensivdrittel gespielt, von denen 28,7 in der gegnerischen Hälfte enden.
Kostic als Angriffsstation
Betrachtet man den Endpunkt der aus der eigenen Hälfte gespielten Pässe, fällt auf, dass sie mehrheitlich nach links gespielt werden. Die Sequenzanalyse bestätigt dies – der Mittelwert der Ausgangspunkte aller Sequenzen der Eintracht liegt am zweitnächsten (nach Hoffenheim) an der linken Auslinie.
Filip Kostic, der im linken Mittelfeld der Eintracht agiert, ist der Spieler, der versucht, in Ballbesitz zu kommen, sowohl aus seiner Startposition auf der linken Seite als auch zentral. In dieser Spielzeit kommt er auf 10 Assists bei einem xA Wert von 7,59 und achtet auf ein progressives Passspiel. Das bedeutet, dass er oft der letzte Spieler am Ende einer Sequenz ist – er beendet 24,3 Sequenzen pro Spiel, und damit mehr als jeder andere Eintracht-Spieler. Das wiederum weist jedoch darauf hin, dass er versucht, in aussichtsreichen Positionen Chancen zu kreieren, Ein Eindruck, der durch die Anzahl seiner Querpässe bestätigt wird, die im Durchschnitt bei 7,2 pro Spiel liegt.
Im Spiel ohne Ball zeigt der Serbe nur geringe Defensivqualitäten, was durch das disziplinierte Spiel von Gelson Fernandes und Sebastian Rode kompensiert wird, die im zentralen Mittelfeld selten hinter den Ball gehen. Wie unten dargestellt spielt Gelson wenige Pässe ins Angriffsdrittel und einen Großteil zwischen beiden Strafräumen.
Während Gelson und Rode defensiv ausgerichtet sind, übernehmen meist Jonathan de Guzmán oder Jetro Willems (wenn er im zentralen Mittelfeld spielt) das Spiel nach vorne im Mittelfeld.
Die Eintracht im Angriffsdrittel
Statt bestimmte Spieler auszusuchen, versucht das Team oft, schnelle Querpässe in gefährliche Bereiche zu spielen.
Bei den Querpässen im Angriffsdrittel liegt die Eintracht mit 19,8 pro Spiel zwar an vierter Stelle der Bundesliga, allerdings sind nur 22,3 % davon erfolgreich, womit sie an 17. Stelle liegen. Wie bereits erwähnt liefert Kostic mehr Querpässe als alle anderen Spieler, jedoch kommen auch de Guzmán und Willems auf mehr als sechs.
Standardsituationen sind ebenfalls eine Stärke. 3,1 Schüsse aufs Tor pro Spiel werden durch Eckbälle und indirekte Freistöße erzielt. De Guzmán schießt üblicherweise die Ecken von beiden Seiten und mindestens einer von vier Eckbällen wird kurz gespielt – kein anderes Team spielte in dieser Saison mehr kurze Ecken. Das variantenreiche Eckballspiel ist ausgesprochen erfolgreich – bei den Toren nach Eckbällen steht Frankfurt mit 7 auf Platz vier und liegt damit höher als der xG (5,9).
Ein erfolgreiches Stürmerduo
Vor dem Tor hat die Eintracht ihren xG (55.9) mit 58 Toren knapp übertroffen. Mit Ausnahme von drei Toren wurden alle von innerhalb des Strafraums erzielt und der xG/Schuss von 0,14 ist der beste der Bundesliga, was darauf hinweist, dass die Torschussversuche regelmäßig aus guten Positionen erfolgen.
Luka Jovic hatte eine sehr gute Saison und hat 17 Tore bei einem xG von 14,5 erzielt. Der fleißige Schütze verbuchte 4,1 Torschussversuche pro Spiel bei einer Erfolgsquote von 44 %. Wie aus seiner Torschussgrafik unten ersichtlich war er besonders im Strafraum erfolgreich und dort besonders in zentralen Positionen innerhalb der Elfmeterdistanz.
Eintracht hat vor kurzem die Option zum Kauf von Jovic gezogen, der von Benfica gekommen war. Bei Benfica hatte er eine schwierige Zeit, da er sich zu Beginn seiner ersten Spielzeit verletzt hatte und es ihm daraufhin schwer fiel, sich einen Stammplatz zu erkämpfen. Zu Beginn der Spielzeit 2017/2018 wechselte er auf Leihbasis zur Eintracht, wo er in nur neun Spielen in der Startelf stand, aber dennoch 8 Tore erzielte, wozu auch 13 Einwechslungen beigetragen haben.
2018/19 hatte er seinen endgültigen Durchbruch und wurde dem Potenzial gerecht, das wir schon erkennen konnten, als er in der U16 für Serbien spielte. Seitdem hat er die verschiedenen Jugendnationalmannschaften durchlaufen und ist nun Herren-Nationalspieler, der auch im Weltmeisterschaftskader des vergangenen Sommers stand.
Jovics Sturmpartner Sébastien Haller hat eine etwas höhere Torschussquote (47,2 %), aber weniger Schüsse pro Spiel (2,26). Seine Torschussgrafik zeigt, dass die meisten seiner Torschussversuche näher am Tor stattfinden.
Der Franzose blickt bereits auf interessante Karrierestationen zurück. Als Teenager konnte er sich in der ersten Mannschaft des französischen Zweitligisten Auxerre durchsetzen und wechselte anschließend zunächst auf Leihbasis und dann fest zum niederländischen Eredivisie-Team Utrecht.
Vor zwei Jahren kam er dann nach Frankfurt. Der erst 24-jährige Spieler konnte in vier von fünf seiner letzten Spielzeiten zweistellige Torbilanzen erzielen.
Obwohl die Gesamtzahl seiner Einsatzminuten seit seinem Wechsel nach Deutschland abgenommen hat, was zum Teil seine sinkende Torbilanz erklärt, konnte er während seinen beiden bisherigen Bundesliga-Spielzeiten seine xG- und xGOT-Werte übertreffen, was auf Verbesserungen seiner Abschlussqualität und seiner Entscheidungen vor dem Tor hindeuten könnte.
Bei einer Körpergröße von 1,90 m ist es kaum verwunderlich, dass Haller fast 36 % seiner Torschussversuche mit Kopfbällen erzielt. Im gesamten Spielkonzept der Eintracht spielt er aber auch eine wichtige Rolle als Abnehmer von Direktpässen. Er ist an durchschnittlich 14,1 Kopfballduellen pro Spiel beteiligt und mit Hilfe von OptaPros neuem Spielphasenmodell lässt sich erkennen, dass er der häufigste Abnehmer direkter langer Bälle in der Bundesliga ist.
Direkter und erfolgreicher
In den vergangenen Spielzeiten haben Klubs wie RB Leipzig und Leverkusen gezeigt, dass eine direktere Spielidee durchaus erfolgreich sein kann. In dieser Spielzeit gibt es jedoch seit 2010/11 erstmals wieder zwei Teams unter den besten vier der Liga, die den Ball mit mehr als zwei Metern pro Sekunde nach vorne spielen.
Adi Hütter ist es gelungen, erfolgreich ein Spielkonzept zu etablieren, bei dem es darauf ankommt, den Ball schnell nach vorne zu bringen und durch weite Querpässe und schnelle Steilpässe hinter die Abwehr Chancen im Angriffsdrittel zu kreieren.
Der Klub verfügt außerdem über zwei Stürmer mit exzellentem Entscheidungsvermögen in Hinblick auf den Schusszeitpunkt im Strafraum. Neben regelmäßigen Torerfolgen zeigen sowohl Jovic mit 0,16 als auch Haller mit 0,24 in dieser Spielzeit hohe xG/Schuss-Verhältnisse, wobei letzterer das wohl beste Verhältnis aller Spieler mit mindestens 50 Schüssen aufweist.
All dies hat dazu geführt, dass sich Frankfurt in der letzten Phase der Spielzeit nach wie vor in zwei Wettbewerben behauptet – und sich vielleicht reich belohnen könnte.