AZ Alkmaar

Koen Veenstra, Leiter Technisches Scouting bei AZ, erläutert uns, wie der Klub der niederländischen Eredivisie mithilfe von Daten seine Rekrutierungsprozesse weiterentwickelt und die langfristige strategische Planung unterstützt.

"Wir, bei AZ, glauben fest an den Einsatz von Daten und Technologien zur Verbesserung unseres Programms und zur Optimierung der Spielerleistungen”

Quantifizierung einer Spielphilosophie

Eine strategische Planung auf allen Ebenen eines Klubs, die durch die zentralen Prinzipien der Spielidee des Klubs definiert und von einer Schlüsselfigur wie einem Technischen Direktor verantwortet wird, ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass Spieler im Einklang mit den klub-spezifischen KPI akquiriert und entwickelt werden. So lassen sich nicht nur kurzfristige Erfolge erzielen, sondern auch der langfristige und nachhaltige Erfolg der ersten Mannschaft sichern.

In der niederländischen Eredivisie ist der AZ Alkmaar ein solcher Klub, der Datenanalyse in seine strategische Planung einbezieht und dafür seit vier Jahren mit Daten von Opta arbeitet.

Die Wurzeln der aktuellen Spielphilosophie des Klubs reichen jedoch deutlich weiter zurück, wie Koen Veenstra, Leiter Technisches Scouting, erläutert:

„Unsere Philosophie wurde durch eine Arbeitsgruppe aus den Leitern unterschiedlicher Abteilungen definiert“, erläutert Veenstra.

„Diese Gruppe trat vor 10 Jahren zusammen und hat verschriftet, welchen Charakter der Klub verwirklichen soll und wie er seine Ziele erreichen kann. Es handelt sich dabei um ein dynamisches Dokument, das Jahr für Jahr überprüft und bei Bedarf angepasst wird. Große Teile des Dokuments waren inhaltlich durch die interne Klubkultur festgelegt, da die Grundüberzeugungen von AZ bereits definiert waren. Es erforderte lediglich einen festen Plan mit konkreten Maßnahmen.

Unsere Fußballphilosophie besteht aus einem dominanten, dynamischen Spiel mit viel Variation, sodass wir das Geschehen bestimmen und der Gegner unsere nächsten Schritte nicht kennt. Wir wollen Ballbesitz, also spielen wir aggressives Pressing mit einer gut organisierten Mannschaft. Wir möchten, dass unsere Aktionen mit größtmöglicher Intensität durchgeführt werden.

Wir haben an diese Philosophie schon geglaubt, bevor wir die Datenanalyse integriert haben. Zugleich sind wir ausgesprochen überzeugt von der datengestützten Arbeitsweise, also arbeiten wir im aktuellen Umfeld mit einem kombinierten Ansatz. Unsere Philosophie bildet den Ausgangspunkt, die Feinabstimmung unseres Spielstils geschieht mithilfe von Daten.“

Die zusammengefassten Zahlen zu AZ in der Eredivisie-Saison 2018/19 zeigen, dass der Klub bei der Umsetzung seiner Philosophie Erfolg hatte: Platz vier im Wettbewerb und die Europa-League-Qualifikation wurden erreicht. Das Pressing-betonte Spiel im 4-3-3 wird belegt durch den Mittelwert der Ausgangspunkte der Sequenzen, der 48 Meter von der eigenen Torlinie entfernt liegt. 23,4 % aller Sequenzen von AZ starten im Angriffsdrittel, dies ist der fünftbeste Wert in der Eredivisie.

Der ballbesitzorientierte Ansatz zeigt sich auch in der durchschnittlichen Sequenzdauer (9,7 Sekunden) und der pro Sequenz zurückgelegten Distanz (13,5 Meter). Mit diesen Werten befindet sich AZ in den Top 4 der Liga.

„Wir setzen unsere Leistungsdaten auch als Argumente ein, um potenziellen Neuzugängen zu erklären, warum sie zu uns passen. Das gehört zu unserem ganz eigenen Ansatz, Spielern zu zeigen, dass wir einen auf sie zugeschnittenen Plan haben.“

Investition in die Jugend zahlt sich aus

Eine weitere aussagekräftige Kennzahl sind die von Nachwuchsspielern gespielten Minuten der Saison – sieben Spieler unter 23 Jahren kamen auf mindestens 1000 Spielminuten in der Liga, und von diesen haben fünf die AZ-Akademie durchlaufen. Hierzu zählen auch Guus Til und Teun Koopmeiners, beide 21 Jahre alt und Mannschaftskapitän bzw. Vizekapitän des Teams.

Veenstra ist überzeugt, dass die Mitwirkung so vieler Spieler aus dem Jugendbereich eine Folge der aufgesetzten Prozesse ist, die bei der ersten Rekrutierung beginnen und alle von der Spielphilosophie inspirierten Entwicklungsstufen prägen.

Er kommentiert: „Unser Ziel ist eine Mannschaft mit Qualität, die in den Top 3 der Liga angesiedelt ist und auf europäischer Ebene erfolgreich mitspielt. Wir möchten dies erreichen, indem wir Spieler aus der eigenen Akademie integrieren, also haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Kader unserer ersten Mannschaft zu 50 % aus Jugendspielern zu bilden.

Wir sind fest davon überzeugt, dass unsere Philosophie einer der Hauptgründe ist, warum Spieler für den AZ Alkmaar spielen wollen. Aber das ist eine logische Konsequenz. Wir scouten gezielt Spieler, die zu unserer Philosophie passen, daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die Spieler sich mit unserem Klub identifizieren können und ein gutes Gefühl haben, wenn sie daran denken, zu uns zu kommen. Wir setzen unsere Leistungsdaten auch als Argumente ein, um potenziellen Neuzugängen zu erklären, warum sie zu uns passen. Das gehört zu unserem ganz eigenen Ansatz, Spielern zu zeigen, dass wir einen auf sie zugeschnittenen Plan haben.

Abgesehen von unserer Philosophie zeigen sich viele Spieler auch beeindruckt von unseren neuen Anlagen und von der Einstellung der Mitarbeiter, die sich sehr dafür engagieren, den Spielern zu helfen und zu ihrer Entwicklung beizutragen. Wir glauben, dass die Kombination dieser beiden Elemente eine große Rolle bei der Entscheidungsfindung potenzieller Neuzugänge spielt.”

Weiterentwicklung der Rekrutierungsprozesse

In seiner Position als Leiter Technisches Scouting arbeitet Veenstra eng mit dem Chefscout Carlos Aalbers und dem Technischen Direktor Max Huiberts zusammen und trägt mit analysegestützten Erkenntnissen zur Entscheidungsfindung bei wichtigen Rekrutierungen bei.

Führende Mitarbeiter des Rekrutierungsteams von AZ (v. l. n. r.:) Hugo Hovenkamp, Senior-Scout, Koen Veenstra, Leiter Technisches Scouting und Carlos Aalbers, Chefscout.

Im niederländischen Fußball hat AZ frühzeitig begonnen, Analysemethoden zur Unterstützung vieler Verfahrensweisen im gesamten Klub heranzuziehen, und Veenstra ist überzeugt, dass der Einsatz von Datenanalysen den gesamten Rekrutierungsprozess verbessert hat, sowohl in Bezug auf die erste Identifizierung von Spielern als auch daraufhin, wie der Klub die subjektiven Berichte des Scouting-Teams von Aalbers objektivieren und analysieren kann.

„Im Verlauf der letzten Spielzeiten haben sich einige personen- und prozessbezogene Änderungen bei der Rekrutierung ergeben, ” erläutert er.

„Beispielsweise beginnen wir nun den Prozess mit unserer Datenanalyse, um gezielt nach Spielern zu suchen, die uns in der aktuellen Situation weiterhelfen können. Diese Spieler werden dann überprüft und live vor Ort im Stadion beobachtet, sodass wir einschätzen können, ob sie zu unserer Spielphilosophie passen.“

„Für die erste Mannschaft haben wir positionsspezifische, auf unserer Philosophie beruhende Spielerprofilformate erstellt. Diese werden von unseren Scouts ausgefüllt, sodass die von uns zu rekrutierenden Spieler daraufhin eingestuft werden können, inwieweit sie zu unserer Philosophie passen.“

Wir gehen dabei sehr konsequent vor und rekrutieren nur Spieler, die in allen Phasen des Rekrutierungsprozesses ein grünes Licht erhalten.

Darüber hinaus kann man an unserer Rekrutierung im Jugendbereich sehen, wie gut wir unser Grundprinzip umsetzen, innovativ zu sein. Wir rekrutieren nicht nur Spieler, in denen unsere Jugendscouts Potenzial sehen, sondern führen auch eine Reihe von Tests durch. Wir möchten wirklich alles über die Spieler erfahren: Ihre geistige Kapazität, ihre physische Entwicklung, ihre Fußballgeschichte, ihre mentale Stärke und vieles mehr. Auf diese Weise können wir eine genaue Prognose des Potenzials der Spieler definieren.”

Akademiemanager Paul Brandenburg (links), daneben zwei der Vollzeitscouts der AZ-Akademie, Stephen Etten und Fred Luesken, sowie der Technische Direktor Max Huiberts (rechts).

Dabei profitiert nicht nur die Rekrutierungsabteilung von AZ von den erweiterten Zugriffsmöglichkeiten auf Daten. Seit Beginn der Spielzeit 2018/19 erhält jeder Klub der Eredivisie im Rahmen einer ligaweiten Vereinbarung Zugang zu Tracking- und Ereignisdaten aus jedem Ligaspiel, was für AZ zusätzlich den Vorteil bringt, dass andere Spieler der Liga mit den eigenen Spielern verglichen werden können, was intern bereits seit einigen Jahren vorgenommen wurde.

 „Wir bei AZ glauben fest an den Einsatz von Daten und Technologien zur Verbesserung unseres Programms und zur Optimierung der Spielerleistungen”, betont Veenstra.

„Das Spektrum reicht dabei von der Messung der physischen Entwicklung unserer jüngsten Nachwuchsspieler bis zu intensiver GPS-Beobachtung und Fragebogenauswertung bei unseren älteren Spielern. So können wir bessere und individuellere Trainingsprogramme für unsere Spieler erstellen.

Wie ich schon erwähnte, sind aggressives Pressing und intensive Aktionen Teil unserer Spielphilosophie. Mit dem Einsatz von Leistungsdaten können wir diese Philosophie quantifizieren und für jede Position Referenzwerte festlegen. Die individuelle Leistung der Spieler wird analysiert und mit den Referenzwerten verglichen. So erhalten wir objektive Übersichten über die gegenwärtige Leistung im Vergleich zu den Anforderungen.”

Langfristig denken

Bei jeder strategisch relevanten Entscheidung eines Klubs stehen langfristige Erwägungen im Mittelpunkt. Für einen Klub wie AZ mit dem Anspruch, in jedem Jahr mit den anderen führenden niederländischen Mannschaften um die nationalen Titel mitzuspielen, bedeutet dies ein ständiges Streben nach Innovation und Verfeinerung der bestehenden Prozesse und zugleich die Beachtung der Kernprinzipien der Spielphilosophie.

Neben der Maximierung der Erfolgschancen hat der Ansatz nach Veenstras Auffassung auch noch weitere Vorteile. Zum Einen sind die Chancen höher, die wirklich besten Spieler verpflichten zu können, zum Anderen stehen gleichwertige Spieler als Nachrücker bereit, wenn ein erfolgreicher Spieler von großen ausländischen Klubs umworben wird.

„Auf dem Spielfeld möchten wir zu den festen Titelanwärtern in der Eredivisie gehören und die K.O.-Runden der UEFA Europa League erreichen, und zwar mit einem Fußballstil, den die Fans sich gerne ansehen“, erläutert er.

„Als Klub möchten wir finanziell stabil bleiben und mit unserer Jugendakademie, der ersten Mannschaft und den Leistungsanalysen weiterhin innovativ bleiben.

Daher ist unsere Klubphilosophie ein entscheidender Faktor, der uns von anderen Klubs abhebt. Wir beobachten, dass viele Spieler nicht lange beim gleichen Klub in der Eredivisie bleiben – deshalb ist es für uns entscheidend, auf allen Ebenen über eine klare Vision zu verfügen, sodass jeder, der einen anderen ersetzen soll, zu unserer Kultur und Philosophie passt.”

AZ ist dafür bekannt, Spielern auf Klubebene und in der Nationalmannschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Der Klub kombiniert solide Grundlagen mit progressiven Ansätzen und wird so auf absehbare Zeit seine Position in der Spitzengruppe des niederländischen Fußballs zu behaupten wissen.